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Marcel Köhler

VHS-C zu Content-Gold machen: Vom Dachboden ins digitale Rampenlicht

Im Zeitalter von TikTok, 4K und KI-Animation wirkt der Begriff „VHS“ fast schon wie ein archäologisches Artefakt. Die Ära der klobigen Kassetten, der Flimmerbilder und des analogen Rauschens scheint längst abgeschlossen – oder etwa nicht? Wer sich einmal auf den Dachboden oder in den Keller begibt, stößt nicht selten auf verstaubte Kisten voller Magnetband-Geschichte: Familienfeiern, Urlaube, Fernsehaufnahmen, vielleicht sogar verloren geglaubte TV-Schätze.

Was zunächst nach sentimentaler Erinnerung klingt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als potenzielles digitales Kapital. Und genau so begann auch meine eigene kleine Wiederentdeckungsreise – mit einer alten Kiste voller VHS- und VHS-C-Kassetten, einem Fernseher mit Scart-Anschluss und der Frage: Lässt sich aus altem analogem Material tatsächlich neuer digitaler Wert schaffen?

Vom Magnetband bis zur Monetarisierung – Start in die VHS-Content-Kreation

Es war kein geplanter Schritt – eher eine zufällige Entdeckung. Beim Aufräumen des Dachbodens fiel mir ein alter Karton in die Hände. Der typische Geruch von Pappe, Staub und leichtem Magnetbandkleber wehte mir entgegen. Darin: rund zwei Dutzend VHS-Kassetten und eine immense Anzahl von VHS-C-Tapes. Es war, als würde ich in eine vergessene Zeitblase greifen.

Typische VHSC-Kassette - hier vom einstigen Hersteller "Scotch" (30 Minuten Band)
Typische VHSC-Kassette – hier vom einstigen Hersteller „Scotch“. (Bild: Marcel Köhler)

Ein kurzer Blick auf die Beschriftungen genügte, um die Neugier zu wecken: „EXPO 2000″, „Eintracht Frankfurt – Klassenerhalt 1999“, „Disneyland Paris im Juli 1994“, „Start der Boeing 747-400 in 1998“. Allein beim Lesen der Etiketten liefen vor meinem inneren Auge bereits Szenen ab, die ich längst vergessen hatte. Und damit keimte auch eine Idee: Was, wenn man aus diesen Aufnahmen nicht nur Erinnerungen bewahrt, sondern echte Reichweite – vielleicht sogar Einnahmen – generiert?

Mit rund 1350 Abonnenten dümpelt mein hauseigener YouTube-Kanal schon seit einiger Zeit vor sich hin. Gelegentlich neue Videos, aber keine echte Linie, kein roter Faden. Doch diese Kassetten könnten das ändern.

Aktuelle YouTube-Statistiken - immerhin 1350 Abonnenten für den Start.
Aktuelle YouTube-Statistiken – immerhin 1350 Abonnenten für den Start.

Denn was viele unterschätzen: In den unscheinbaren privaten Aufnahmen aus den 90ern oder frühen 2000ern steckt oft nicht nur persönliche Nostalgie – sondern auch dokumentarischer, kultureller oder historischer Wert.

Die Boeing 747-400 (Queen of the Skies) im Linienbetrieb an einem deutschen Flughafen, ein Spaziergang durch Paris 1994 oder eine Hafenrundfahrt 1993 durch Hamburg, als es Elbphilharmonie und HafenCity noch gar nicht gab – man muss dieses Content-Gold nur finden und reaktiveren. Retro ist populär, Authentizität gefragt – im KI-Zeitalter mehr denn je – und genau das bieten alte VHS-Kassetten in Reinform!

1993 stand der ASTRA-Turm noch Hamburger Hafen (VHS Screenshot)
1993 stand der ASTRA-Turm noch am Hamburger Hafen (VHS Screenshot)

SCART, Rauschen, AI: Mein Digitalisierungs-Workflow

Also los. Doch bevor die Videos online gehen können, müssen sie zunächst einmal digitalisiert werden. Und hier beginnt die erste Hürde: funktionierende Technik finden – günstig und vor allem easy in der Bearbeitung. Ich besorgte mir ein VHS/DVD Kombi-Recorder von LG – für rund 200 Euro bei eBay. Glücklicherweise fand sich im Karton auch noch eine Adapterkassette von Hama, um die kleinen VHS-C-Bänder abspielen zu können.

LG DVD-Recorder mit VHS-Einschub
LG DVD-Recorder mit VHS-Einschub: Gar nicht mehr so günstig zu kriegen.
  • Tipp: Am besten direkt bei eBay oder Kleinanzeigen suchen – die wenigen verfügbaren Modelle bei Amazon sind meiner Meinung nach deutlich zu teuer.

Ein VHS-C zu VHS Converter ist ein spezieller Adapter, mit dem man kleine VHS-C-Kassetten (die kompakte Version der VHS-Kassette, oft in Camcordern verwendet) in einem normalen VHS-Videorekorder abspielen kann.

Klassischer VHS-Adapter - hier von Hama
Dieser VHS-Adapter gibt es auch heute noch zu kaufen.

Einfach VHS-C-Kassette in den Adapter einlegen. Der Adapter simuliert eine normale VHS-Kassette, sodass man sie in einem herkömmlichen VHS-Recorder abspielen kann. Das ganze Funktioniert nur mit VHS-C, nicht mit MiniDV oder Hi8.

Der nächste Stolperstein war der Anschluss. Mein moderner Fernseher hatte längst keinen Scart-Eingang mehr – und der DVD/VHS Recorder von LG kein HDMI. Mein ältester Ambilight-Fernseher – ein echter Veteran im Haus – hatte noch genau das. Die ersten Kassetten liefen. Manche Bilder flackerten, manche Töne rauschten – aber sie liefen. Ich begann, die Aufnahmen auf DVDs zu brennen.

Typische DVD-Rohlinge - hier als RW-Version.
RW-DVD’s sind hier zur Abwechslung wirklich mal nützlich.

Hier zeigte sich schnell: Die Qualität variierte enorm. Manche Videos waren erstaunlich gut erhalten, andere wirkten wie aus einem Albtraum aus Pixeln, Rauschen und Farbstichen. Doch dank moderner Tools wie Vidnoz AI, die auf künstlicher Intelligenz basieren, ließ sich ein Teil retten oder sichtbar verbessern.

Nach dem Einlegen der DVD erscheinen im Ordner VIDEO_TS mehrere .VOB-Dateien. Diese enthalten das Video, Tonspuren und gegebenenfalls Untertitel. Zum Abspielen eignet sich etwa der VLC Media Player, der VOB-Dateien direkt wiedergibt.

Für flexiblere Nutzung – etwa auf Mobilgeräten – empfiehlt sich die Umwandlung in ein gängiges Format wie MP4. Tools wie HandBrake oder VLC ermöglichen diese Konvertierung schnell und ohne nennenswerten Qualitätsverlust.

Kurzer Tipp zur Umwandlung: VOB in MP4

Wenn du VOB-Dateien z. B. auf dem Handy abspielen oder archivieren möchtest, ist es sinnvoll, sie in ein universelles Format wie MP4 zu konvertieren.

  1. HandBrake (kostenlos)
    • Lade die VOB-Datei in HandBrake.
    • Wähle das Profil „Fast 1080p30“ oder „General > MP4“.
    • Starte den Konvertierungsvorgang.
  2. VLC Media Player
    • Gehe zu Medien > Konvertieren/Speichern.
    • Füge die .vob-Datei hinzu.
    • Klicke auf „Konvertieren“ und wähle MP4 (H.264) als Ziel.
Screen-Capture aus einer VHS: Hier 1995 Disneyland Paris
Screen-Capture aus einer VHS: Hier 1995 Disneyland Paris

Ich habe mich ganz bewusst für das 4:3-Format entschieden – der Versuch, auf 16:9 hochzuskalieren (Upscaling), hat qualitativ einfach nicht überzeugt. Die Unterschiede waren mir zu deutlich. Für den einfachen Feinschliff nutze ich Camtasia Studio (vor Jahren günstig gekauft), ein simples, aber zuverlässiges Schnittprogramm. Ich kürze die Clips, setze noch mein Logo darauf – fertig. Was früher Stunden gedauert hätte, ist heute binnen kürzester Zeit erledigt.

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Was mich besonders überrascht hat: Wie spannend und auf gewisse Weise emotional aufgeladen die alten Aufnahmen sind – nicht nur für mich, sondern auch für Außenstehende.

  • Ein Beispiel: Die Amateuraufnahme vom Fan-Event zum Klassenerhalt der Eintracht Frankfurt 1999 am Riederwald zeigt nicht das Spiel selbst, sondern die ekstatische Stimmung danach: jubelnde Fans, wehende Fahnen, und mittendrin Torhüter Oka Nikolov, Trainer Jörg Berger und die ganze Mannschaft – alles wirkt wie eine Zeitreise. Bereits der Kurz-Clip den ich vorab veröffentlichte, wurde direkt in einschlägigen Fangruppen geteilt.
  • Oder der Start einer Lufthansa 747-400 auf dem Frankfurter Flughafen – aufgenommen mit zittriger Hand auf der Aussichtplattform, aber mit beeindruckender Atmosphäre. Heute ist dieser Flugzeugtyp nahezu aus dem regulären Betrieb verschwunden. Für viele ist das nicht nur Technik-Nostalgie, sondern ein echtes Stück Luftfahrtgeschichte.
  • Disneyland Paris im Sommer 1994: Man erkennt, wie sich das Freizeitpark-Erlebnis seitdem verändert hat. Andere Besucher, andere Kostüme, andere Musik. Für heutige Fans oder Doku-Fans ist das Gold wert – Content-Gold, um genau zu sein.
  • Die gelbe EXPO-Seilbahn: Zur EXPO 2000 fuhr ich als Kind mit der gelben Seilbahn über das Gelände. Heute ist sie als Belchenbahn im Schwarzwald und als Doischbergbahn in Österreich unterwegs. Es gibt viele Videos dazu auf YouTube – aber aus der Zeit der EXPO, gibt es aktuell nur 2 Videos einer aktiven Fahrt. Genau solche Raritäten suche ich. Hier könnte Nachfrage bestehen. Und die suggerierten Keyword-Vorschläge von YouTube bestätigen meine Annahme.
Die gelbe EXPO-Seilbahn: Zur EXPO 2000
Gerade frisch online gegangen: Hier zum Video

YouTube als Plattform: Der digitale Umschlagplatz

YouTube ist dabei die logische erste Adresse. Die Plattform ist leicht zugänglich, kostenlos nutzbar und erlaubt es, mit den richtigen Inhalten Reichweite zu generieren. Meine bestehenden 1300 Abonnenten bieten einen soliden Startpunkt. Die Videos erhalten erste Klicks, Kommentare kommen hinzu – und der YouTube Algorithmus erkennt: Da passiert etwas.

Natürlich ist es kein Selbstläufer. Die Titel müssen gut gewählt, die Thumbnails ansprechend gestaltet und die Beschreibung sinnvoll formuliert sein. Aber mit Geduld und Regelmäßigkeit lässt sich eine wachsende Community aufbauen – vor allem, wenn man gezielt Nischen bedient.

Thumbnail-Gestaltung - simpel und international gestaltet
Einfach gehaltene Thumbnails, oft international gestaltet, um möglichst viele Menschen zu erreichen.

Da Geduld nicht gerade zu meinen ausgeprägten Tugenden zählt, ich dem YouTube-Algorithmus aber Kontinuität signalisieren möchte, plane ich meine Veröffentlichungen im Voraus. Deshalb erscheint ab jetzt bis zum Jahresende jeden Freitag ein neues Video – und dann ziehen wir mal eine erste kleine Bilanz.

Und irgendwann stellt sich dann die Frage: Kann man damit wirklich Geld verdienen? Die Antwort: Ja – aber mit Nuancen. Die YouTube-Partnerprogramm-Grenze (1000 Abos) ist bereits erreicht – jetzt muss ich „nur“ noch die Watch-Time hochschrauben.

Um genau zu sein: Ich muss sie (Stand jetzt) verfünffachen. Denn 4.000 Stunden Wiedergabezeit ist dafür die Anforderung seitens YouTube. Das ist immens. Besonders wenn es sich um Video-Content handelt, der eine durchschnittlich Wiedergabezeit von 3 Minuten besitzt. Ich muss selbst etwas schmunzeln, während ich das schreibe.

  • Aber ja, dann – kann es theoretisch direkt monetarisiert werden – über Werbung, Super Thanks, oder Channel-Memberships. Sobald das Projekt etwas Fahrt aufgenommen hat, werde ich mich intensiver mit weiteren Monetarisierungsmöglichkeiten beschäftigen – insbesondere sehe ich Potenzial im Bereich Affiliate, etwa über die Videobeschreibungen, Beiträge und Short-Funktion.

Zwischen Rauschen und Erinnerung

Was mir auf dem Weg klar geworden ist: Dieses Projekt ist weit mehr als ein Digitalisierungsversuch. Es ist auch eine emotionale Reise. Die Videos zeigen meine Kindheit, meine Familie, meine Umgebung – sie holen längst vergessene Momente ins Gedächtnis zurück. Und je mehr ich digitalisiere, desto mehr spüre ich, wie wertvoll diese Bilder sind. Nicht nur als Content, sondern auch als Zeugnis eines Lebensabschnitts.

Gleichzeitig freut es mich, wenn andere Menschen mitfiebern, kommentieren, eigene Erinnerungen teilen. Der Kanal wird zur Plattform für kollektive Erinnerungskultur – im besten Sinne.

Handelsübliche Fjuifilm-Kassette
Handelsübliche Fujifilm-Kassette: Das Unternehmen gibt es übrigens noch. (Bild: Marcel Köhler)

In einer Welt, in der alles sofort verfügbar, hochauflösend und durchgeplant ist, liegt der Charme des Unperfekten oft im Authentischen. Alte VHS-Kassetten bieten genau das: ungeschliffene, echte Momentaufnahmen einer vergangenen Zeit.

Mit etwas Technik, Geduld und Kreativität lassen sich diese Erinnerungen nicht nur bewahren, sondern auch sinnvoll in die digitale Welt überführen – als Zeitdokumente, als YouTube-Inhalte, als Basis für kreative Projekte. Was auf dem Dachboden lag, ist heute vielleicht kein Müll, sondern medialer Rohdiamant. Es liegt an uns, ihn zu schleifen.

Mehr spannende Stories aus der Digitalwirtschaft in meinem Blog.

Quellen und weiterführende Informationen